KulturSchock Portugal
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Portugal ist ein kleines Land mit großen regionalen Mentalitätsunterschieden. Und doch besteht eine unangefochtene geografische, nationale und vor allem emotionale Einheit. Dieses Buch beschäftigt sich mit den vielen Facetten des portugiesischen Lebens, seinen Gegensätzen, Eigenarten und Kuriositäten. Es gibt praxistaugliche Orientierungen und geht auf sozialkritische Hintergründe ebenso ein wie auf die Besonderheiten der „alma lusa“, der „portugiesischen Seele“.
Dazu: Verhaltenstipps A-Z mit vielen Hinweisen für angemessenes Verhalten, Verweise auf ergänzende und unterhaltsame Multimedia-Quellen im Internet, Literaturempfehlungen zur Vertiefung u.v.m.
Die meisten Portugiesen sind überzeugte Europäer und leben zugleich eine kosmopolitische Kultur, die stets die ganze Welt im Blick hatte und hat. Man liebt Lobeshymnen über sein Land, schimpft selbst leidenschaftlich mit Vorliebe über die Politiker & Co., reagiert aber empfindlich auf Kritik von außen. Im täglichen Miteinander erlebt der Besucher überwiegend freundliche, gesellige und hilfsbereite Menschen mit kreativem Improvisationstalent und strapazierfähiger Geduld. „Ser Português“ – „Portugiesisch-Sein“ ist auch die Identifizierung mit dem sentimentalen Sehnsuchtsgefühl der „saudade“ und dem damit einhergehenden Selbstverständnis, einem einzigartigen Volk anzugehören.
Aus dem Inhalt:
- Aufbruch zu unbekannten Ufern: mit Entdeckergeist zur Kolonialmacht.
- Land der drei F: Fado, Fußball, Fátima.
- Faschismus und Salazarismus: stolz und allein.
- Portugal und die EU – eine Zweckverbindung mit gemischten Gefühlen.
- Ein- und Auswanderung.
- Alltag: Geduld und Warten als Überlebenstaktik.
- Portugiesisch – Weltsprache mit Tücken.
- Als Fremde in Portugal: das Bild von Touristen und Deutschen.
- Alma Lusa – tiefgründige Volksseele mit komplexer Wirkung.
- Einkommensverhältnisse und Sozialsysteme.
- Trabalho – Arbeitsleben.
- Traditionen und Bräuche.
- Problemfall „Água“.
- Begegnungen, Begrüßungen, Verabschiedung.
- Lusitanische Machos und gestresste Frauen.
- Religion und Kirche.
- Nationale Identität und Patriotismus.
Rezensionen:
"Sehr ansprechend geschrieben, schöne (Ausflugs-)Tipps und vor allem die Verhaltenstipps werden mir (hoffentlich) das eine oder andere Fettnäpfchen ersparen." - Jonas (via Mail)
Infos | Rezensionen
ekz - Informationsdienst.: 10/10
Auch wenn Portugiesen davon überzeugt sind, dass die Einzigartigkeit ihrer Wesensart von Nichtportugiesen natürlich nicht nachempfunden werden kann, hilft dieses Buch doch, dem rätselhaften Portugal näher zu kommen. Nach einem Rückblick in die große, portugiesische Vergangenheit werden die heutige portugiesische Gesellschaft und der Alltag in Portugal locker, informativ und lesenswert dargestellt. So werden das Verhältnis von Mann und Frau, die Rolle der Familie, das gespaltene Verhältnis zum Nachbarland Spanien, das Leben von Ausländern im äußersten Südwesten Europs oder die Besonderheiten der portugiesischen Musik und Sprache beschrieben. Eingebaut in den Text sind interessante Exkurse (Dom Sebastião, Fernando Pessoa, das portugiesische Nationalgericht Bacalhau, José Saramago, der Wallfahrtsort Fatima, ein klenes Kaffeelexikon). Im Anhang finden sich Literaturhinweise, Film- und CD-Tipps. Zur Vorbereitung als Ergänzung zu klassischen Reiseführern wie dem Baedeker „Portugal“ empfohlen.
http://www.aktuell.ru: 09/11
Man darf sich die Kulturschock-Reiseführer aus dem renommierten Reise Know-How Verlag auf keinen Fall als polyglotte Nachschlagewerke zu den touristischen Sehenswürdigkeiten, Hotels jeder Kategorie und empfehlenswerten Lokalen eines Landes vorstellen. Vielmehr wenden sich diese Bücher an eine ganz andere Zielgruppe unter den Reisenden. Wer bereit ist, sich ernsthaft mit den Eigen- und Gepflogenheiten eines zum Besuch anstehenden Landes auseinanderzusetzen, ist mit der „Kulturschock“-Reihe bestens beraten. Detailliert behandeln diese Bücher den Alltag in der Fremde, nicht ohne eine historische Brücke zu schlagen und den langen Prozess der Nationenbildung und Staatswerdung bis in die Gegenwart zu erläutern. http://www.aktuell.ru
Geo Saison. Das Reisemagazin.: November 2011
Reiseführer zur schnellen, alltagsnahen Orientierung in der Kultur des Urlaubslandes; viele Staaten und Regionen verfügbar, teilweise auch als kostenpflichtiger Download auf www. reise-know-how.de
MDR Figaro - Das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks: Oktober 2014
(…) Und da möchte ich auf eine Reihe von Reise Know-How verweisen, also die Reiseführer für Individualreisende, und diese besondere Reihe heißt ganz einprägsam und vieldeutig: KulturSchock, übrigens ein eingeführter Begriff aus der Anthropologie und er übertreibt ja auch nicht, denn egal in welch anderen Kulturkreis man fährt, er bleibt einem erstmal fremd, aber durch Wissen kann man sich ihm nähern. Nehmen wir islamische Länder, da muss man sich darüber klar werden, dass man als Frau durchaus Restriktionen ausgesetzt ist, Kopftuch tragen ist nur ein Beispiel, in China wird am Tisch geschlürft, in Indien auf die Straße gespuckt, in Lateinamerika gibt es getrocknete Insekten als Snack, manche Völker wollen sich nicht fotografieren lassen, andere haben komplett andere Handzeichen, wodurch es zu verwirrenden Situationen kommen kann – sprich, fremde Kulturen sind uns nicht vertraut und mit diesen Büchern bekommt man Orientierungshilfe, aber auch Begründungen, warum das alles so ist, heißt, es gibt Hintergründe zu Geschichte und Politik, Alltag und Religion. Denn wer die Gepflogenheiten eines Landes einigermaßen kennt, hat sicher mehr von seiner Reise. KulturSchock – eine Reihe bei Reise Know-How. Zu haben für 14,90 Euro. MDR Figaro - Das Kulturradio des Mitteldeutschen Rundfunks Abteilung Kulturpublizistik Sendung "Orte die betören, Orte die verstören" am 25.10.13 13-14 Uhr Sandra Meyer
Extras
Updates nach Redaktionsschluss
Autoren-Update zu den Waldbränden im Oktober 2017
Waldbrandkatastrophen kompromittieren Portugals Zukunft
Vier Monate nach den verheerenden Bränden von Pedrogão Grande in Zentralportugal, bei denen 64 Menschen ums Leben kame ...
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Waldbrandkatastrophen kompromittieren Portugals Zukunft
Vier Monate nach den verheerenden Bränden von Pedrogão Grande in Zentralportugal, bei denen 64 Menschen ums Leben kamen, erlebte Portugal Mitte Oktober erneut ein Feuerinferno mit dramatischen Folgen. 45 Menschen (Stand 23.10.2017) starben dabei direkt oder an den Folgen der Waldbrände vom 15. auf den 16.10.2017. Mehr als 500 gleichzeitig wütende Feuer im ganzen Land verteilt beschäftigten tausende Einsatzkräfte. Am schwersten betroffen waren wieder einmal Regionen in Zentralportugal, vorwiegend die Distrikte Coimbra, Leiria, Castelo Branco und Viseu. In zwei Tagen wurden mehr Hektar Waldfläche als im gesamten bisherigen Jahr 2017 zerstört. Tausende Tiere, davon alleine 5000 Schafe in der Serra da Estrela sowie zahlreiche Kühe und Schweine, starben qualvoll in den Flammen oder wurden schwer verletzt. Häuser, Industriebetriebe und ganze Existenzen wurden schlicht dem Erdboden gleichgemacht. Zahlreiche Strommasten wurden beschädigt, Telefon- und Wasserleitungen in Mitleidenschaft gezogen. Manche Ortschaften blieben tagelang ohne Strom.
Wenige Tage zuvor stellte ein unabhängiger Untersuchungsausschuss im Parlament den Bericht zu den Bränden von Pedrogão Grande im Juni 2017 vor und prangerte gravierende Mängel in Organisation, Logistik, strukturellen Abläufen und Kommunikation an. Der Bericht zeigte auch, dass in den Monaten nach Pedrogão Grande kaum Initiativen zur Prävention getroffen wurden.
Nach langem Zögern und einem entscheidenden Paukenschlag des Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa musste Regierungschef Antonio Costa einlenken und seine schwer in Kritik geratene Innenministerin Constança Urbano de Sousa entlassen. Zu einer würdigen Entschuldigung den Opfern gegenüber konnte er sich trotz diverser Aufforderungen nicht durchringen.
Extrem hohe Temperaturen, sechs Monate ohne Regen und anhaltende Trockenheit, das Vorbeiziehen des Tropensturms Ophelia mit starken heißen Winden waren auch ausschlaggebend für diese erneute Katastrophe. Trotz der für Oktober ungewöhnlichen Wetterlage wurde die Waldbrandsaison nicht verlängert und zahlreiche Präventionsmaßnahmen schon Ende September eingestellt. Der Hauptgrund allerdings waren einmal mehr kriminelle Brandstiftung und Fahrlässigkeit, sei es durch nicht genehmigte Feuer oder weggeworfene Zigaretten. Spekulation über wirtschaftliche Interessen zur Schaffung von Weide- oder Bauland, Eukalyptusanbau für die Papierindustrie oder die oft erwähnte „Löschmafia“, die Geld mit den privat betriebenen Löschflugzeugen verdient, tun ihr übriges.
Die Folgen sind für das Land gravierend und beeinträchtigen u. a. auch die sich langsam erholende Wirtschaft. Abgesehen von den insgesamt 108 Opfern, die seit dem Sommer 2017 in den Feuern oder aufgrund von starken Verbrennungen starben, ist die Natur der große Verlierer. Weniger Wald bedeutet noch mehr Trockenheit. Olivenbäume, Kastanien, Honig- und Käseproduktion und viele andere Bereiche der Agrikultur sind schwer betroffen und werden große Einbußen zu verzeichnen haben. Hunderte Kleinbauern haben ihre Lebensgrundlage verloren. Es besteht zudem akute Erosionsgefahr, sollten im Winter starke Regenfälle einsetzen und die verbrannte Erde abschwemmen. Asche kann in die Wasserleitungen gelangen, was bereits in einigen betroffenen Bezirken der Fall war. Auch der Tourismus wird darunter leiden, denn ganze einst grüne und vegetationsreiche Landschaften der Serra da Estrela oder dem Pinienwald von Leiria, dem Hinterland von Pedrogão sind nun schwarze nackte Flächen. Zahlreiche Neuinvestitionen in touristische Infrastrukturen wurden zerstört. Es wird Jahre dauern, bis sich die verbrannten Wälder erholen werden. Ein deprimierender Anblick, der bei vielen Portugiesen mittlerweile nicht nur Entsetzen, sondern auch Revolte hervorruft.
In diversen Städten Portugals kam es bereits zu Demonstrationen und die Medien diskutieren täglich neue Aspekte rund um das Thema. Die Regierung rief nun einen Aktionsplan aus, der die strukturellen Probleme verbessern soll. Ein zentraler Punkt dabei ist auch das nationale Notrufsystem, das seit Jahren in der Kritik steht und bei den beiden Waldbrandkatastrophen wiederholt versagte. Die Feuerwehr soll professioneller werden und die Einsätze sollen besser gesteuert werden.
Doch bleibt bei vielen Portugiesen der Zweifel, ob wieder nur viel diskutiert wird oder ob sich tatsächlich ein für allemal etwas ändert. Viel Wald bleibt bald nicht mehr übrig, der noch verbrennen könnte. Die Hinterbliebenen der Opfer mögen Entschädigung erhalten, doch die Angehörigen kann ihnen niemand zurückgeben. Es ist an der Zeit, dass Portugal aufwacht und zur Tat schreitet, bevor es sich selbst und den kommenden Generationen die Zukunft nimmt.
Flammeninferno in Zentral-Portugal fordert mehr als 60 Menschenleben
Die größte Waldbrandkatastrophe Portugals seit mehr als 50 Jahren kostete am Samstag und Sonntag 62 Menschen das Leben, mehr als 50 wurden zum Teil schwer verletzt (Stand 18.06.17, 14 Uhr). Am Samstag, den 17.06. 2017, schlug bei Pedrogão Grande im zentralportugiesischen Bezirk Leiria ein Blitz in einen Baum ein und verursachte ein Feuer, das sich durch die für Juni ungewöhnlich große Hitze mit über 40 Grad und aufgrund hoher Trockenheit rasch und unkontrolliert auf die umliegenden Bezirke Figueiró dos Vinhos und Castanheira de Pera ausbreitete. Zahlreiche Menschen wurden in ihren Autos und in ihren Häusern von den Flammen eingeschlossen und verbrannten auf grausame Weise. Andere starben an Rauchvergiftung oder wurden gar von panisch flüchtenden Autos im dichten Aschenebel überfahren. Am Nachmittag des Sonntags darauf war das Feuer noch nicht unter Kontrolle, 700 Feuerwehrmänner, zahlreiche Löschflugzeuge und 250 Tanklaster waren rund um die Uhr im Einsatz. Die Anzahl der Todesopfer könnte sich laut Einsatzkräften noch weiter erhöhen. Eine solche Tragödie mit diesem Ausmaß und Verlusten an Menschenleben hat das Land laut Staatssekretär Jorge Gomes seit einem halben Jahrhundert nicht erlebt. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa reiste bereits in der Nacht zum Katastrophenort, um den Betroffenen seine Solidarität auszusprechen. Premierminister António Costa verschaffte sich am Sonntag einen Überblick über die dramatische Situation. Vom In- und Ausland trafen bereits Kondolenzwünsche und Hilfsangebote an.
Die klimatischen Verhältnisse sind für diese Jahreszeit extrem, der Winter und das Frühjahr waren viel zu trocken und der Hochsommer verspricht dieses Jahr noch heißer zu werden, was die Waldbrandgefahr noch weiter erhöhen könnte.
Während am Sonntag im ganzen Land 174 aktive Brandherde bekämpft werden mussten und die Tragödie von Pedrogão Grande immer dramatischer wurde, ordnete die Regierung drei Tage Staatstrauer an, was die Verantwortlichen der Stadtfeste und Junifeierlichkeiten nicht daran hinderte, weiterhin unbekümmert rund um die Uhr Feuerwerkskörper und Böller zu zünden.
Portugal im Glück
Der 13. Mai 2017 brachte den Portugiesen gleich drei positive und herausragende Ereignisse: In Fátima war Papst Franziskus zu Besuch, um die Hirtenkinder Jacinta und Francisco Marto im Beisein von Hundertausenden Pilgern und im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums der Marienerscheinungen heilig zu sprechen. Am Nachmittag holte Portugals beliebtester Fußballklub Benfica Lissabon zum vierten Mal in Folge den portugiesischen Meistertitel und am Abend gewann der aus einer alten portugiesischen Adelsfamilie stammende Jazz-Sänger Salvador Sobral entgegen aller Prognosen das Finale des 62. Eurovision Song Contest 2017 (ESC) in Kiew. Mit seinem Beitrag „Amar pelos dois“ (Liebe für Zwei) sang er sich in die Herzen Europas und zum überraschenden Sieg. Sein gefühlvolles Lied, schlicht und doch ausdrucksstark vorgetragen „ohne Feuerwerk und Glitzer“ und auf Portugiesisch gesungen, ließ klar alle Favoriten hinter sich. Den Titel schrieb seine bereits als Jazz-Interpretin und Komponistin bekannte Schwester Luisa Sobral. 18-mal 12 Punkte für das kleine Portugal, von der Juri und dem Telepublikum auf den 1. Platz gewählt. Nach 49 Teilnahmen beim ESC und nach mehr als 50 Jahren konnte Portugal damit das erste Mal in seiner Geschichte einen Sieg nach Hause bringen. Dies kam am Wallfahrtstag von Fátima fast schon einem Wunder gleich. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa sandte dem jungen Sänger seine Glückwünsche mit den ebenso an die Portugiesen gerichteten Worten: „Wenn wir gut sind, dann sind wir die Besten unter den Besten“.
Die drei F´s – Fátima, Fußball und Fado – könnten im übertragenen Sinn nicht besser repräsentiert werden (auch wenn Sobrals Song kein Fado war). Portugals Glückssträhne scheint sich auch im Jahr 2017 fortzusetzen. Es läuft gut für das Land, der Tourismus boomt wie nie, die Wirtschaftszahlen sehen besser und vielversprechend aus und die Bevölkerung ist zuversichtlich wie schon lange nicht mehr. Gute Nachrichten für Portugal und Europa.
Portugal im Jahresrückblick
2016 war ein gutes Jahr für Portugal. Die Stimmung im Land hat sich merklich gebessert, Zuversicht liegt in der Luft. Der neue Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa hat mit seiner positiven Grundstimmung und ausgleichenden Persönlichkeit für eine versöhnliche Atmosphäre im Land und bei der Mehrheit der Bürger gesorgt. Das Linksbündnis zwischen der Regierungspartei PS (Partido Socialista) unter Premierminister António Costa mit Bloco de Esquerda (Linksblock unter Catarina Martins) und Partido Comunista (Kommunistische Partei unter Jerónimo de Sousa) hat bisher entgegen allen düsteren Prophezeiungen der konservativen Opposition gehalten. Die Arbeitslosigkeit ist im letzten Quartal etwas gesunken und der Tourismus boomt wie nie, was der Wirtschaft einen leichten Aufschwung beschert. Einziger Spielverderber ist immer wieder der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der mit seinen kritischen Äußerungen zur wirtschaftlichen Lage des Landes den Unmut der Portugiesen erregt.
2016 wurde Portugal Fußballeuropameister und konnte auch sonst zahlreiche internationale Auszeichnungen erringen. Es gab eine ganze Reihe an neuen UNESCO-Weltkulturerbe-Titeln für das Land und der ehemalige Premierminister und UNO-Flüchtlingskommissar Anóntio Guterres wurde einstimmig zum neuen UN-Generalsekretär gewählt. Ab 2017 spielt damit wieder ein Portugiese eine international bedeutende Rolle auf der Weltbühne. Noch dazu ein Mann, der humanistische und visionäre Qualitäten vereint und in Zeiten von Kriegen und Flüchtlingsproblematik ein Zeichen setzen könnte. Ein kleiner Hoffnungsschimmer mitten im weltweiten „Trump-Schock“.
Viele gute Nachrichten also für das so lange von der Finanzkrise gegeißelte Land. In Zeiten von immer neuen Krisenherden, Terrorismusgefahr, Klimakatastrophen und negativen Schlagzeilen weltweit ist Portugal zu einer kleinen Oase für Urlauber und Teilzeitnomaden aus aller Welt geworden. Die Tourismusbranche reagiert darauf mit immer neuen und professionelleren Angeboten. Auch wenn es in manchen Regionen wie in Porto oder Lissabon bisweilen schon etwas zu viel des Guten wird und manche, vor allem ältere Anwohner, durch die Touristenmassen ihre Lebensqualität beeinträchtigt sehen, ist die derzeitige Aufbruchsstimmung gut für das Land. Vor allem die junge Generation braucht neue Hoffnung, um auch im eigenen Land eine Zukunftsperspektive zu finden.
Senioren aus ganz Europa kommen sowieso schon seit vielen Jahren nach Portugal, um die Wintermonate in wärmeren Gefilden zu verbringen und es werden immer mehr. Dabei ist längst nicht nur die Algarve das Ziel.
Ein weniger positives Ereignis waren die verheerenden Waldbrände im Sommer 2016, die großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet haben und vermeidbar gewesen wären.
Doch der Grundtenor ist zum ersten Mal seit Beginn der Finanzkrise 2008 positiv und die Stimmung in der Bevölkerung optimistisch wie lange nicht mehr. Was angesichts der sonstigen Situation in der Europäischen Union ein beruhigendes und gutes Zeichen ist.
Hoffentlich geht es so vielversprechend weiter für Portugal!
Brände in Portugal – Gründe und Hintergründe
Hochsommerlicher August in Portugal: Es ist heiß, sehr heiß und trocken. Straßen, Strände und die Bergdörfer im Landesinnern sind voller Touristen und Emigranten aus Frankreich, Belgien und Luxemburg, die ihre Sommerferien wie jedes Jahr im Heimatort verbringen. Die Sonne scheint, der Wein ist gekühlt und täglich wird in irgendeinem Örtchen ein großes Fest zu Ehren eines Heiligen gefeiert. Alles könnte so schön sein …
Man hat viel investiert in den letzten Jahren in neue touristische Infrastrukturen, Animation und Sommerprogramme. Dann plötzlich ist sie wieder da – die hässliche Fratze der Sommerhitze. Feueralarm im ganzen Land. Im Norden brennen die Wälder des Nationalparks Peneda Gerês, im Zentrum sind ganze Dörfer von Flammen bedroht und auf der Insel Madeira sterben 3 Menschen bei Bränden in der Hauptstadt Funchal. An einem Tag Mitte August 2016 sind in Portugal mehr als 400 Feuerherde aktiv. Tausende Feuerwehrmänner im Einsatz leisten alles bis an die Grenze ihrer physischen und mentalen Konditionen, sind übermüdet und erschöpft. Löschflugzeuge ziehen hundertmal ihre Runden, landen auf den Flüssen, saugen Wasser an und schütten es über den lodernden Flammen der für die Bodentruppen unerreichbaren Gebirgsfeuer ab. Wie viel wertvolle Waldbestände wieder einmal verbrannt sind, ist noch nicht abzusehen. Von den Monokulturen der Eukalyptuswälder redet schon kaum jemand mehr. Valença do Minho, Viana do Castelo, Porto, Aveiro, Águeda, Coimbra, Arouca, Viseu und São Pedro do Sul sind unter den am schwersten betroffenen Regionen. Im Bezirk Castelo de Paiva wurde eine komplette neue touristische Infrastruktur rund um den Rio Paiva zerstört, die erst 2015 eingeweiht wurde und Einnahmen in die Region bringen sollte. Alles dahin. Dutzende Familien verloren ihre Häuser mit Hab und Gut. Jedes Jahr spielt sich ein ähnliches Drama ab.
Was unwirklich und absurd scheint, ist Tatsache: 98 Prozent der Feuer sind laut dem Präsidenten der Portugiesischen Feuerwehrliga Jaime Marta Soares durch Menschen verursacht. 75 Prozent davon sind krimineller Natur. Der Rest ist Fahrlässigkeit, z. B. durch unachtsam weggeworfene Zigaretten. Viele wirtschaftliche Interessen stecken hinter Portugals Waldbränden, was dieser Tage angesichts der Katastrophe selbst einige Politiker einräumten. Der portugiesische Wald ist zudem mehrheitlich in Privatbesitz. Die Waldpflege ist so den Eigentümern überlassen, die sich oft nicht um die Säuberung kümmern.
Inmitten apokalyptischer Szenarien knallen weiterhin die Feuerwerkskörper der Sommerfeste. Jeden Tag zünden Programmveranstalter allerorts Feuerwerke während oben die Wälder in Flammen stehen und der dichte Rauch über die Dächer der Städte zieht. The show must go on! Die Touristen sind da und wollen unterhalten werden. Was kümmern da schon einige tausend Hektar verbrannte Natur, verendete Wildtiere oder zerstörte Häuser und Weideflächen?!
Trotz täglicher Warnungen im Radio und Apelle von Premierminister António Costa an die Bevölkerung, keine unnötigen Risikofaktoren zu schaffen, sieht man Böller zwischen Bäumen und Häusern Rauchschwaden in die Luft jagen und Raucher, die ihre Kippen glühend auf den Boden werfen.
Die klimatischen Verhältnisse aus Hitze, Wind und Trockenheit sind die natürlichen Risikofaktoren, die nicht zu verhindern sind. Die Hauptursache für die Feuerkatastrophe 2016 ist aber einmal mehr menschengemacht. Eine Tragödie, die mit Präventionsmaßnahmen nach Aussage zahlreicher Experten vermeidbar gewesen wäre. Vorerst hat sich die Lage etwas entschärft und die aktiven Feuerherde sind auf unter 80 gesunken. Die traurige Bilanz der diesjährigen verheerenden Waldbrände: vom 06.08. bis 15.08.2016 zerstörten 3000 Feuer fast 100.000 Hektar Wald, riskierten über 70.000 Feuerwehrmänner ihr Leben, kamen 3 Menschen ums Leben. Der wirtschaftliche Schaden wird derzeit analysiert, der Schaden in der Natur wird noch lange nachwirken …
Licht am Ende des Tunnels …
Der 10. Juli 2016 wird den Portugiesen noch lange in Erinnerung bleiben und geht in die Geschichte der Nation ein. Ein historischer Tag für das Land und ein Grund zum Feiern: Portugal gewinnt das EM-Finale gegen Frankreich und wird Fußball-Europameister. Der erste internationale Titel für das Land und ein Ereignis, das Millionen Portugiesen seit Jahrzehnten herbeisehnten. Schon der Morgen begann mit einem Medaillenregen für portugiesische Athleten im Halbmarathon-Wettbewerb bei der Leichtathletik-Europameisterschaft in Amsterdam. Dann der krönende Abschluss am Abend des Fußballfinales in Paris. Als Cristiano Ronaldo nach einem Foul wegen Verletzung ausscheiden muss, bleiben die Herzen in der Nation für einen Moment stehen. All die Hoffnung scheint dahin. Dann das glückliche Ende und die Freude kennt keine Grenzen. Endlich ist Portugal wieder jemand. All die wirtschaftlichen Probleme, die Demütigungen der EU, das Gefühl, immer nur arm und benachteiligt zu sein, sind vergessen im Taumel der Siegesfeiern.
Der neue Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa vermittelt Zuversicht ebenso wie Premierminister Antonio Costa, der mit seinem Bündnis aus Linksblock und Kommunistischer Partei für Furore im In- und Ausland sorgte. Gute Nachrichten sind genau das, was Portugal jetzt braucht. Neue Energie, Hoffnung auf bessere Zeiten und eine positive Einstellung tun gut. Gerade in Zeiten, in denen der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mal wieder für Verärgerung und Empörung sorgte, als er Portugal schon ein neues Rettungspaket prophezeite und damit die Märkte verunsicherte. Man witterte Verschwörung und böse Absichten. Dann kam noch der Brexit, der Portugal besonders trifft und die Unsicherheit und Verunsicherung in der EU mit sich brachte. Zweifel über Zweifel, wie es weiter geht … Nun sind die dunklen Wolken am Finanzhimmel für eine Weile Nebensache und die Sonne strahlt mit voller Kraft für alle Portugiesen.
Die portugiesische Nationalmannschaft unter Führung von Trainer Fernando Santos hat es allen gezeigt – den Zweiflern, den Nörglern, denjenigen, die ihnen den Titel und im übertragenen Sinn auch so manch anderes nicht zutrauten. Fußball ist nur ein Spiel, doch in Portugal viel mehr als das. Es gibt kaum einen Portugiesen im Land oder als Emigrant irgendwo in der Welt verstreut, der heute nicht stolz und glücklich auf seine Heimat schaut. Die sozialen Medien überschlagen sich: Dieser Sieg ist nicht nur ein sportlicher Erfolg und gerade jetzt überaus wichtig für das kleine Land am Rand Europas.
Parabéns – Herzlichen Glückwunsch Portugal!
Portugiesen gespalten wie nie
Turbulent geht das Jahr 2015 für die Portugiesen zu Ende. Die Parlamentswahlen vom 04.10.15 brachten statt Stabilität ein politisches Tauziehen um die Macht.
Die als „PAF“-Koalition angetretenen bisherigen konservativen Regierungsparteien PSD unter Premierminister Pedro Passos Coelho und PP unter Paulo Portas gewannen zwar mit 38 % die Wahlen, verloren aber die Mehrheit im Parlament. Damit begann das Dilemma. Die Sozialistische Partei (PS) unter Antonio Costa nutzte die Gelegenheit und ging kurzfristig Bündnisse mit den beiden Linksparteien PCP (Kommunistische Partei) und BE (Linksblock) ein. Ein historisches Ereignis. Noch nie waren die Kommunisten und Linken Portugals mit der PS vereint. Beide sind für ihr EU- und eurokritisches Programm und die Ablehnung der europäischen Sparpolitik bekannt. Dass sie nun eine Minderheitenregierung der moderaten Sozialisten unterstützen, ist ein Paukenschlag in der portugiesischen Geschichte.
Mit der parlamentarischen Mehrheit und dem Boykott des Regierungsprogramms stürzte die neue Links-Troika die frisch ernannte Regierung von Pedro Passos Coelho nach bereits zwei Wochen. Die Entscheidung lag nun bei Staatspräsident Cavaco da Silva, der sich ausgiebig Zeit nahm, um zahlreiche Vertreter der Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu befragen. Am Ende blieb ihm trotz seiner unverhohlenen Missbilligung der neuen Minderheitenregierung auf Linksaußen-Basis nichts anderes übrig, als Antonio Costa zum neuen Premierminister zu berufen und mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Seit 26.11.2015 hat Portugal nun eine neue Regierung, die die Meinungen der Gesellschaft mächtig durcheinanderrüttelt. Die einen sehen endlich eine Chance für eine Änderung der bisherigen Sparpolitik und auf eine bessere Zukunft, die anderen fürchten schon das Ende der wirtschaftlichen Erholung und den Weg in eine Sackgasse und den Fahrschein in einen neuen Rettungsschirm. Selten sah man die Portugiesen so gespalten und uneins über die richtige Alternative für eine wirtschaftlich und politische Stabilität und Zukunft. Wirklich trauen will dem neuen Linksbündnis niemand so richtig, da die konkreten bilateralen Vertragsvereinbarungen bisher nicht bekannt wurden. Auch fürchten viele Anhänger der Kommunistischen Partei und des Linksblocks eine Aufweichung ihrer Ideologien und Programme. Die Konservativen dagegen sind entsetzt und sprechen von politischem Diebstahl und Wahlbetrug. Auch wenn die portugiesische Verfassung eine parlamentarische Mehrheit für die Bildung einer Regierung vorsieht, sind sich selbst Verfassungsrechtler uneinig. Die EU schaut ganz genau nach Portugal – steht uns hier ein zweites Griechenland bevor? Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble blieb gelassen und erklärte, die PS sei nicht Siriza. Man will wohl zunächst einmal abwarten, was passiert.
Während der Streit in den Cafés und Wohnzimmern weitergeht, wurde die neue Regierung vereidigt und begann mit der Arbeit. Es bleibt spannend. Was Portugal dieser Tage am wenigsten brauchen kann, ist eine weitere politische Krise und neue Unsicherheiten. Der Markt regierte bisweilen gelassen und wartet wohl zunächst ebenso die Entwicklung ab.
Für den ehemaligen sozialistischen Premierminister José Socrates dürften dies gute Nachrichten sein. Der vor genau einem Jahr verhaftete Socrates (siehe vorhergehende Aktualisierung) wurde im Oktober aus der Untersuchungshaft entlassen und wartet nun in Freiheit auf die Anklage. Ob es zu einem Prozess kommt, ist bisher noch offen.
Also, alles wie gehabt. Portugal ist immer für Überraschungen gut. Das neue Jahr scheint ebenso vielversprechend zu werden.
Auf ein gutes Neues Jahr! Bom Ano!
Stimmungstief zum Jahresende bei den Portugiesen
Schlimmer hätte das Jahr 2014 für die portugiesische Bevölkerung nicht enden können. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere. All die Einsparungen und Steuererhöhungen haben die wirtschaftliche Lage und die Verschuldung nicht wesentlich verbessert. Ein Großteil der jungen Elite ist ins Ausland ausgewandert. Die Arbeitslosenzahlen sind nur leicht gesunken und das auch nur aufgrund der durch die Emigration bereinigten Statistiken. Noch schlimmer: Seit einigen Monaten kommt ein Korruptionsskandal nach dem anderen an die Öffentlichkeit. Banken, Politik und Wirtschaft sind in etliche Prozesse verwickelt. Der Innenminister musste wegen der zwielichtigen Vergabe von „Goldenen Visa“ zurücktreten, gegen einige frühere Bankmanager der BES (Banco de Espirito Santo = Heiliggeist Bank) wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet und so geht es weiter. Der Schock des Jahres aber war die Verhaftung des ehemaligen Premierministers José Sócrates. Am 22.11.2014 wurde er direkt von der Gangway seines aus Paris kommenden Fliegers festgenommen. Die Presse war merkwürdigerweise schon informiert und stand am Flughafen bereit, um das Spektakel gleich in die Wohnzimmer der staunenden Zuschauer zu übertragen. Nach dreitägiger Befragung sitzt Sócrates nun in einem Provinzgefängnis in Évora in Untersuchungshaft. Vorwurf: Passive und aktive Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Heftiger könnte es kaum sein. Das sind sehr schwerwiegende Anschuldigungen für einen hochrangigen Repräsentanten eines Landes. Die Portugiesen sind perplex und fassungslos. Dies ist eine einmalige Situation in der portugiesischen Geschichte, noch nie wurde ein ehemaliger Regierungschef angeklagt oder gar verhaftet. Noch dazu in dieser spektakulären Art und Weise . Immerhin war Sócrates über zwei Mandate Regierungschef und einer der wenigen, der mit absoluter Mehrheit gewählt wurde.
Der Journalist Luís Delgado sieht dieser Tage eine tiefe Spaltung der portugiesische Gesellschaft: Da seien einerseits die treuen Sócrates-Anhänger, die von politischer Verfolgung und Intrigen sprechen. Andererseits diejenigen, die den ehemaligen sozialistischen Premierminister schon immer hassten und sich jetzt in allen Punkten bestätigt sähen. Dann gäbe es noch die überwiegende Meinung, dass man jetzt einfach der Justiz ihren Lauf lassen und abwarten müsse, ohne schon vorab zu urteilen. Nach dem portugiesischen Gesetz gilt das Unschuldsprinzip bis zur Verurteilung. Dennoch hört man dieser Tage mehr denn je auf den Straßen und in den Cafés: „… die Politiker sind alle gleich und bestehlen uns nur, damit sie ihre eigenen Taschen füllen können …“
José Sócrates war im Laufe seiner Regierungszeit mehrfach Mittelpunkt von Anschuldigungen wegen dubiosen Verwicklungen mit der Wirtschaft. Es konnte ihm jedoch nie etwas nachgewiesen werden. Er soll nach Angaben der Tageszeitung SOL 20 Millionen Euro auf einem Schweizer Konto angesammelt haben, welches unter dem Namen seines Jugendfreundes Santos da Silva geführt wurde. Sein luxuriöser Lebensstil war stets Anlass zur Diskussion in den Medien und im Café. Mit dem Gehalt eines Premierministers und einer rein politischen Karriere wäre der Kauf seiner noblen Immobilien in Lissabon und Paris kaum möglich gewesen. Sócrates selbst beschwört seine Unschuld und spricht von einer Erbschaft seiner Mutter und des Großvaters. Er meldete sich bereits mehrfach aus dem Gefängnis mit Briefen an die Medien zu Wort und spricht von Verschwörung und Rufmord.
Wahr ist, dass einmal mehr trotz Justizgeheimnis Details an die Öffentlichkeit gelangten, die eigentlich nicht hätten publik werden dürfen. Die Verletzung des Justizgeheimnisses ist in Portugal nichts Neues. Wahr ist allerdings auch, dass die Anschuldigungen derart schwerwiegend sind, dass sich wohl kaum ein Richter die Anordnung einer Untersuchungshaft erlauben könnte, ohne fundierte Anhaltspunkte zu haben.
Der 90-jährige ehemalige Premierminister und Staatspräsident Mario Soares war unter den ersten Besuchern seines Parteifreundes in Évora und zeigte sich erbost über die Vorgehensweise mit einem einstigen Regierungsoberhaupt durch Justiz und Medien. Auch andere Kameraden aus der PS stehen bisher fest hinter José Sócrates. Der aktuelle Regierungschef Pedro Passos Coelho der sozialdemokratischen PSD bemühte sich sofort zu beteuern, dass nicht alle Politiker über einen Kamm zu scheren seien.
Für die Sozialistische Partei PS kommt dieser Schock zu einer gänzlich ungelegenen Zeit. Die Verhaftung erfolgte einen Tag vor der Wahl des neuen Parteivorsitzenden António Costa und die nächsten Parlamentswahlen stehen für 2015 an. Man ist also schon mitten im Wahlkampf.
Die größte Sorge vieler Portugiesen und der Analysten dreht sich darum, wie man dies nun im Ausland aufnehmen wird. Die Frage ist: Wird damit das Image Portugals noch mehr beschädigt, im Sinn von „dort sind eh alle korrupt“? Oder wird man bewerten, dass die Justiz doch funktioniert und die staatlichen Institutionen die Korruption bekämpfen? Zum Welttag gegen Korruption am 09.12. befragte der Radiosender Antena 1 einige Jurastudenten in Lissabon zu deren Meinung zu Korruption in der Gesellschaft. Die Antworten waren verblüffend realistisch. Die Mehrheit der angehenden Juristen meinte, die Korruption sei tief in der portugiesischen Gesellschaft integriert und würde stetig banalisiert. Die öffentliche Meinung ist geteilt und für die nationale Psyche ist dies ein weiterer Tiefschlag. Die Krise hat schwer am Selbstbewusstsein des Landes gekratzt und immer noch sieht man Deutschland, bzw. Angela Merkels Regierung und die EU Vorgaben als die Hauptschuldigen für die harte Sparpolitik und die „Zerstörung“ des Landes.
Das Jahr 2015 wird als Schlüsseljahr für die weitere Entwicklung in Portugal gesehen. Es gibt im Moment allerdings wenig Positives, das als Balsam für die portugiesische Seele dienen könnte. Immerhin, eine gute Nachricht gab es doch noch: Am 27.11.2014 wurde die Gesangstradition des Alentejo, der Cante Alentejano, in Paris von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt. Zumindest für einen Tag übertönten die Stimmen der Männerchöre des Alentejo die Nachrichten um José Socrates.
Portugal 2013 – die Auswirkungen der Krise auf den Alltag der Menschen
Portugal 2013 – die Auswirkungen der Krise auf den Alltag der Menschen © Silvia E. Baumann Auch wenn der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die europäische Finanzkrise schon Anfang Januar optimistisch für „beendet“ erklärte, ist die Situation in Portugal von einer entspannten Lage weit entfernt. Im Gegenteil, das Jahr 2013 wird von der Mehrheit der hiesigen Wirtschaftsexperten als das schwierigste der letzten Jahrzehnte vorhergesehen. Die Sparmaßnahmen der Troika (Internationaler Währungsfond, Europäische Zentralbank und EU) werden in diesem Jahr greifbar und im Alltag real. Hinzu kommen neue Einsparprojekte, Steuererhöhungen, Privatisierungen und Kürzungen in diversen Bereichen des Sozialwesens. Ganz so dramatisch wie im benachbarten Spanien ist die Lage noch nicht, doch zeigen sich die ersten Auswirkungen zunehmender Armut in der portugiesischen Gesellschaft. Die Arbeitslosenquote stieg im Februar 2013 auf ein Rekordniveau auf 16,9 Prozent, jeder vierte von zehn jungen Portugiesen findet keine Arbeit. Die Prognosen der EU-Experten sind noch pessimistischer, man spricht bereits von weit mehr als 17 Prozent Arbeitslosen bis zum Frühjahr. Wer dieser Tage die Diskussionsforen in Radio, Fernsehen und Internet verfolgt, kann die zunehmende Resignation, Wut und Verzweiflung der Menschen hören und sehen. Die Veränderungen im portugiesischen Alltag sind allgegenwärtig: die Familien müssen lernen, zu sparen, wo immer es geht. Leider geht dies bisweilen auf Kosten der Schwächsten. Immer mehr Schulkinder und Studenten hungern, weil die Eltern das Kantinenessen nicht mehr bezahlen können. Alte Menschen werden aus den Heimen geholt und unversorgt alleine gelassen. Die Armenküchen und Kleiderausgabestellen melden vermehrten Zulauf, auch und gerade von vielen Mittelklassefamilien, die in die Bedürftigkeit abrutschen. Man sieht weniger Autos auf den Straßen, die gebührenpflichtigen Schnellstraßen sind wie ausgestorben. Dafür hat die Zahl der mangelhaften PKWs deutlich zugenommen. Wenn kein Geld für die Reparatur da ist, fährt man eben mit kaputtem Bremslicht oder abgefahrenen Reifen. Die Löcher im brüchigen Asphalt geben ihr übriges Zeugnis von der derzeitigen Situation. Schnell wurde gebaut, als das Geld noch floss ohne Rücksicht auf Qualität. Jetzt kommt die Rechnung der mangelhaften Bauweise bei Straßen und Gebäuden. Auch die Kleinkriminalität hat zugenommen, vor allem Diebstähle und Einbrüche in Häuser und Autos werden häufiger. Spricht man mit den Menschen auf der Straße darüber, scheinen sich alle einig zu sein: Das seien alles die Ausländer, vorwiegend Osteuropäer und Brasilianer, die Autos aufbrechen. Und das äußern nicht nur ältere Herrschaften, die noch den „sicheren“ Zeiten unter Salazar nachweinen. Nein, auch junge Portugiesen schieben die Schuld ohne mit der Wimper zu zucken auf Ausländer. Es stellt sich die Frage, ob sich die Menschen damit selbst beruhigen wollen oder nur das Image ihres Landes vor dem Fremden beschönigen möchten und dafür auch vor rassistischen Vorverurteilungen nicht zurückschrecken. Die Polizei ihrerseits hat weder Interesse noch die Mittel, um sich mit Bagatellfällen zu beschäftigen. Wer im Auto Wertsachen liegen lässt und diese dann eben gestohlen werden, ist in erster Linie selbst schuld. Die Zeit des allzu sicheren Urlaubslandes Portugal ist vorerst Geschichte. Noch ist die Situation nicht dramatisch, aber ganz unbesorgt wie früher kann man sich auch und gerade als Urlauber nicht mehr bewegen. Der von der Opposition schwer kritisierte Aufruf der Regierung zur Emigration der jungen Portugiesen, zeigt erste Auswirkungen. Mehr als 40.000 Portugiesen zwischen 25 und 29 Jahren sind laut INE (Instituto Nacional de Estatística) 2011 ausgewandert, auf der Suche nach Arbeit und einer Zukunft. Das sei eine Zunahme von 85 Prozent innerhalb eines Jahres. Die meisten zieht es nach Großbritannien, Deutschland, Holland, die Schweiz, Luxemburg, Brasilien oder auch vor allem nach Angola, wo die Wirtschaft im Aufschwung ist. So werden die ehemaligen portugiesischen Kolonien ironischerweise wieder zur Diaspora, doch nun mit umgekehrten Ausgangspositionen. Gleichzeitig geht die Einwanderung in Portugal zurück. Wo es keine Arbeit gibt, lohnt es sich auch nicht, sein Glück zu suchen. Zurück bleiben die schlecht ausgebildeten, alten und jene, die keine Möglichkeit zum Auswandern haben. Das ist sicherlich keine gute Grundlage für einen wirtschaftlichen Neuanfang. Was die politische Lage angeht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die aktuelle Regierung unter Premierminister Pedro Passos Coelho wackelt. Die Opposition drängt jetzt schon auf den Rücktritt der Regierungsmannschaft und der Rückhalt in der Bevölkerung ist gänzlich dahin. „ Ja-Sager von Merkel & Co.“ oder „schamlose Speichellecker“ sind die noch angenehmeren Attribute, die man für die politische Elite übrig hat. Der Stolz der Portugiesen ist durch die Bevormundung der Troika mehr als angeschlagen. Man empfindet es als Zumutung, sich das Leben vorschreiben zu lassen. Der Portugiese an sich hat ein Problem mit Gesetzen, man mag sich nicht Vorschriften unterwerfen. Da kommt dieser Tage selbst das legendäre Zitat eines Kriegsherren Cäsars zum Einsatz. Dieser berichtete seinem römischen Herrscher von einem Volk im äußersten Westen Europas, „ das sich weder selbst regiert noch sich regieren lässt“. Die Rede war von den widerspenstigen Lusitanern, die sich wie Asterix und Obelix den Römern nicht unterwerfen wollten und diese mit aller Macht bekämpften. Noch sind die Proteste relativ friedlich. Das historische Revolutionslied „Grândola Vila Morena“ des linken Liedermachers José Afonso , das bei der Nelkenrevolution 1974 zum Nationalsymbol wurde, dient nun den jungen Portugiesen und Portugiesinnen als Protestsong. Dieser Tage kommt die Revolutionshymne wieder zum Einsatz bei Manifestationen im Parlament oder Debatten mit dem verhassten Finanzminister Vitor Gaspar und dem ebenso ungeliebten Wirtschaftsminister Alvaro Perreira oder dem Minister für Regierungsfragen Miguel Relvas. Premierminister Pedro Passos Coelho kommentierte eine gesangliche Unterbrechung seiner Parlamentsrede kürzlich damit, dass „dies die bisher angenehmste Form der Protestkundgebung gewesen sei“. Wie lange die gewaltlosen Demonstrationen anhalten steht in den Sternen. Die Frustrationen nehmen zu, doch könnten nur grundlegende Veränderungen im Land einen Lichtstrahl am Horizont bringen. Dies wiederum würde aber auch eine Änderung der Mentalität und festgefahrenen Denkweisen beinhalten. Eine Änderung der Kultur der Portugiesen ist allerdings utopisch, im Gegenteil : die „Einzigartigkeit“ der Portugiesen innerhalb Europas wird dieser Tage wieder besonders betont. Gerade aus diesem Grund sind die Reformen der EU und der Troika eher Make-Up als tatsächlich irgendeinen Fortschritt zu bringen. Vielleicht liegt das Trugbild Europas und in diesem Fall der Kanzlerin Angela Merkel darin, dass man die unterschiedlichen Kulturen im vereinten Europa über einen Kamm scheren könne. Was in Deutschland funktioniert, muss in Portugal oder Griechenland noch lange nicht wirken und umgekehrt. Die EU ist eben nur auf die wirtschaftliche Gemeinschaft ausgerichtet und hat die Menschen dabei vergessen. So kommt es, dass statt Gemeinsamkeiten die Animositäten und Vorurteile wieder massiv zum Vorschein kommen. Die Deutschen sind wieder die Nazis, die noch dazu von der Krise der armen Länder profitieren; die Südländer sind dagegen die Faulenzer, die das Geld unverantwortlich verprasst haben. Das Tragische daran: die Jugend Europas bezahlt für die Fehler der jetzigen und vorangegangenen Generationen und das kann in Portugal wie auch dem restlichen Europa noch unabsehbare Folgen haben. Nicht umsonst ist die Rede von der „verlorenen Generation“ in Portugal wie auch in Spanien und anderen Krisenländern. Ob wir alle uns dies leisten können?!
Portugal und die Finanzkrise
Portugal und die Finanzkrise © Silvia Baumann Knapp ein halbes Jahr nach dem Erscheinen der ersten Auflage des Titels „Kulturschock Portugal“, bekam das kleine iberische Land die Auswirkungen der globalen Finanzkrise mit voller Wucht zu spüren. Das Haushaltsdefizit explodierte und die Arbeitslosenzahlen stiegen vor allem im Bereich der jungen gut ausgebildeten Akademiker auf über 11 Prozent an. Die erst 2009 wiedergewählte sozialistische Regierung unter Premierminister José Socrates schnürte ein Sparpaket nach dem anderen, derer drei mit viel Knurren und Missmut vom Parlament abgesegnet wurden. Socrates betonte stets, unter seiner Regierung werde es kein Eingreifen des EU-Rettungsschirms oder des Internationalen Währungsfonds (IWF) geben. Im März 2011 stellte er den vierten ehrgeizigen Plan zur Sanierung des Haushaltsdefizits (PEC 4) vor. Die Bemühungen der portugiesischen Regierung wurden bis dahin von der EU und insbesondere der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ausdrücklich gelobt. Anders im eigenen Land. Im Parlament erhob sich eine hitzige Debatte und die Opposition verweigerte der Regierung die Unterstützung zur Umsetzung des Sparpakets. Allen voran der Linksblock (BE) und die Kommunistische Partei Portugals (PCP) schimpften gegen die „sozial unzumutbare Attacke gegen das portugiesische Volk“, die konservative PSD und die rechtspopulistische PP witterten ihre Chance und kritisierten die Maßnahmen als nicht ausreichend. Die Regierungspartei konnte das neue Sparpaket, das bereits bei der EU vorgestellt wurde, mit ihrer einfachen Mehrheit nicht durchsetzen. Die Opposition ließ Socrates im Regen stehen. Dieser legte als Folge, wie zuvor gewarnt, im März 2011 sein Amt nieder. Damit schlingerte Portugal nun von der Finanzkrise in eine politische Krise. Nie zuvor war ein portugiesischer Premierminister so heftig mit Medienschelte und Kritik überzogen worden wie José Socrates, sowohl politisch als auch persönlich. Man warf ihm Unaufrichtigkeit, Korruption und Arroganz vor. Medienkampagnen stilisierten ihn zum Nationalfeind und Sündenbock des Landes hoch. Vor allem der private Fernsehsender TVI hatte es auf den Regierungschef abgesehen. Den Linken war er zu rechts und den rechten nicht konservativ genug. Auch in der Bevölkerung verlor der Premierminister zunehmend an Rückhalt. Die Gewerkschaften und Linken riefen zu Widerstand und Generalstreik auf. Zunächst protestierten die Lehrer in Massen, dann die „verlorene Generation“ der arbeitslosen 20-30jährigen (Geração Arrasca), die Taxifahrer, Pflegekräfte des Gesundheitswesens und Beamte der öffentlichen Verkehrsbetriebe… Socrates schien alles ungerührt wegzustecken. Doch mit der Ablehnung des PEC 4-Paketes war ihm jegliche politische Handlungsfähigkeit genommen. Der erst im Januar 2011 wiedergewählte neue Staatspräsident, der konservative Aníbal Cavaco da Silva, akzeptierte den Rücktritt und ernannte eine Übergangsregierung. Die Reaktionen der Finanzmärkte ließen nicht lange auf sich warten. Die Ratingagentur Standard & Poors stufte kurz darauf Portugals Kreditwürdigkeit auf „Trash“ = Müllniveau herab, andere Agenturen folgten. Das Land konnte sich nicht mehr auf dem Kapitalmarkt finanzieren und steuerte auf den Staatsbankrott zu. Die EU blickte mit Sorge auf den neuen Wackelkandidat und drängte auf rasche Neuwahlen, die nach langem Hin und Her auf Juni 2011 datiert wurden. Noch während der Zeit seiner Übergangsregierung sah sich José Socrates gezwungen, den EU-Rettungsschirm und die Hilfe des IWF in Anspruch zu nehmen. Das Schreckensgespenst des FMI, wie der Internationale Währungsfonds in Portugal heißt, war plötzlich wieder da. Schon einmal musste Portugal diese bittere Pille schlucken, unter der Amtszeit von Mário Soares in den 1980er Jahren. Die Angst vor dem Verlust der Souveränität geht damit einher. Die Autorin machte einige Umfragen vor allem im Kreis der protestierenden Berufsgruppen aus dem öffentlichen Dienst. Auf die Frage, ob man denn nicht fürchte, dass es mit einer neuen, rechtsgerichteten Regierung zu noch massiveren Sparmaßnahmen käme, kam die überraschende Antwort: „Wenn das Schiff schon sinkt, dann soll es wenigstens schnell gehen. Schlimmer kann es jedenfalls nicht mehr kommen.“ Wie zu erwarten, gewann die konservative PSD (Partido Social Democrata) die Wahlen, verfehlte aber mit 42 Prozent eine absolute Mehrheit. Die rechtspopulistische Volkspartei CDS/PP (Partido Popular) unter Paulo Portas errang 10 Prozent, die sozialistische PS (Partido Socialista) sank auf ein historisches Tief von nur 28 Prozent der Wählerstimmen. Der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat der PSD, Pedro Passos Coelho, bildete eine Koalition mit der PP und wurde neuer Premierminister. Sogleich kamen Warnungen aus den Reihen der EU: Portugal hätte sich mit PEC 4 bereits kompromittiert und müsse seine Verpflichtungen erfüllen. Seither weilt die sogenannte Troika (bestehend aus Vertretern der Europäischen Zentralbank, dem IWF und der EU-Kommission) regelmäßig im Land, kontrolliert Bilanzen und verhandelt mit der Regierung neue Maßnahmen zur Ausgabenkürzung und Reduzierung des Staatsdefizits. Die Regierung Passos Coelho versucht das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen. Arbeitsmarktreformen wurden durchgesetzt, Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen, Gehälter gekürzt, Brücken- und Feiertage gekappt, etc. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung hat sich mit dem Regierungswechsel nicht gelegt, im Gegenteil. Wut, Verunsicherung und Resignation bestimmen derzeit die nationale Seelenlage. Wut vor allem auf Deutschland und die deutsch-französische „Merkozy“-Bevormundung. Man will sich weder von der Troika noch von den Deutschen vorschreiben lassen, wie man zu leben hat. Die Armut in Portugal steigt rapide und am meisten betroffen ist die schwindende Mittelschicht. Die Gewerkschaften und auch einige Altpolitiker wie der ehemalige Premierminister und einstige Staatspräsident Mário Soares machen mobil und rufen zum kollektiven Widerstand auf. Soares kritisiert Angela Merkel scharf als antieuropäisch und inkompetent. Er sprach sogar von der Gefahr eines neuen Krieges in Europa. Man schaue nur auf die angestaute Wut in Griechenland, die jederzeit eskalieren könne. Deutschland wird mangelnde Solidarität vorgeworfen, dabei hätte doch auch Portugal dazu beigetragen, die Deutsche Wiedervereinigung mitzufinanzieren. Alte Ressentiments werden in den portugiesischen Medien dieser Tage heraufbeschworen. Schon zweimal hätte Alemanha versucht, Europa zu dominieren, damals mit Panzern, jetzt versuche man es als Wirtschaftsmacht. Also, Vorsicht vor diesen Deutschen, die wieder Angst verbreiten! Dies ist im Moment die Grundstimmung, die von den Medien und Kommentatoren kräftig befeuert wird. Aussagen Angela Merkels wie Anfang Februar 2012 zur Autonomen Region Madeira „die ein schlechtes Beispiel für die Nutzung der EU-Fördergelder sei“ heizen die anti-deutsche Stimmung weiter an. Zwar weiß jeder, dass die Kanzlerin im Fall Madeiras im Grunde Recht hat, dennoch empfindet die Mehrheit der Bevölkerung diese Kritik als eine Anmaßung und Unverschämtheit. Selbst erklärte Gegner des umstrittenen Gouverneurs Madeiras, Alberto João Jardim, solidarisieren sich dieser Tage im Namen der „Ehre der Nation.“ Auch der EU-Abgeordnete Martin Schulz machte sich mit einer Äußerung unbeliebt, Portugal solle sich von Geschäften mit Angola fernhalten und mehr auf Europa konzentrieren. All das empfinden die Portugiesen als Demütigung und Einmischung in die Souveränität des Landes. Kritik von außen kommt in Portugal generell sehr schlecht an. Derlei Fettnäpfchen wiegen bei einer angeschlagenen Gemütslage noch schwerer, gerade wenn es sich um die empfindliche „alma portuguesa“ (die portugiesische Seele) handelt. Wieder einmal sieht sich Portugal wie schon so oft in seiner Geschichte als Opfer, unverstanden und ungerecht behandelt. Doch so mancher Portugiese erinnert sich auch noch an die Regierungszeiten von Mário Soares, Aníbal Cavaco da Silva und António Guterres in den 1980er und 1990er Jahren der „vacas gordas“ (der fetten Kühe), als die EU-Gelder noch reichlich flossen und die nötigen Strukturreformen versäumt wurden. Stattdessen wurde seit Eintritt in die EU 1986 viel Kapital verschwendet, das heute fehlt. In einem Radioforum des öffentlich-rechtlichen Senders Antena 1 meinte der politische Journalist Luís Delgado im Februar 2012: „Die sogenannte Faulheit der Portugiesen (die vor allem ein Vorwurf der Deutschen sei), führe schon bis ins 15. Jahrhundert oder gar früher bis zur Staatsgründung im 12. Jahrhundert zurück. Mit Sicherheit werde sich die portugiesische Mentalität nicht durch Dekrete und Gesetze von außen plötzlich ändern lassen“. Die reichen Länder, vor allem Deutschland, müssten akzeptieren, dass Portugal seine eigene Kultur habe. Es fehle der Respekt und das Verständnis für die peripheren Nationen. Dabei kam die Aufforderung zu mehr lusitanischem Ehrgeiz aus den Reihen der eigenen Regierung. Der Premierminister sprach im Februar 2012 in einem Interview davon, die Portugiesen sollten „weniger jammern und mit dem Selbstmitleid aufhören, sich statt dessen auf die Zunge beißen und die Ärmel hochkrempeln“. Woraufhin eine Welle der Entrüstung durch die Bevölkerung ging, wieder einmal sensationslüstern gepuscht von den Medien. Dies sei ein Affront gegen die portugiesischen Arbeiterinnen und Arbeiter. Die Regierung wird im gleichen Atemzug als Handlanger der Troika und der deutschen Banken und Politiker verschmäht. Einen Vergleich mit Griechenland sieht Premierminister Pedro Passos Coelho nicht gerne, Portugal sei eher mit Irland vergleichbar, meint sein Finanzminister Vitor Gaspar. Dennoch ist die wirtschaftliche Lage dramatisch, es ist nicht auszuschließen, dass Portugal weitere Hilfen des Rettungsschirms in Anspruch nehmen muss. Im Januar 2012 stieg die Arbeitslosenquote laut Eurostat auf 13,6 Prozent. Die Regierung rief gar angesichts der brenzligen Situation die jungen Akademiker zum Auswandern auf, was ebenso heftige Empörung auslöste. Einmal mehr in der Geschichte des Landes müssen arbeitsfähige Portugiesinnen und Portugiesen aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Nur sind es heute im Gegensatz zu den 1950er Jahren qualifizierte junge Menschen, die dem Land den Rücken kehren, um in Brasilien, Angola oder Australien ihr Glück zu suchen. Das hätte man sich nach der Nelkenrevolution 1974 nicht träumen lassen. Es ist dieser Tage nicht gut bestellt um das Selbstbewusstsein und die verwundete portugiesische Seele, und ein König Dom Sebastião als symbolischer Erlöser ist wohl vorerst nicht in Sicht. Stattdessen sind „sparen“, „Gürtel enger schnallen“, „einschränken“ die Schlagworte des aktuellen portugiesischen Alltags. „Austeridade“ = „strikte Einschränkung“ war das Jahrwort 2011. Ein rotes Tuch für die Mehrheit der Portugiesen. Es ist freilich schwer, den bisher erreichten Wohlstand und das auch von der EU geförderte Konsumverhalten herunterzuschrauben. Deutschland dagegen sei mit seinem Wirtschaftswachstum der Profiteur der Finanzkrise. So sieht man es hier. Bisher verliefen die Proteste der Bevölkerung noch relativ friedlich. Die Frage ist, wie lange die Portugiesen bereit sind, sich dem Diktat von außen zu unterwerfen. Die Armee und Militäreinheiten protestieren ebenso gegen interne Strukturmaßnahmen und warnen vor dem Überstrapazieren der Geduld. Mehr und mehr Stimmen werden laut, sich der „deutsch-französischen Diktatur“ entgegenzustellen. Auch der Ausstieg aus der EU und die Rückkehr zum Escudo wird emotional diskutiert. Am 11.02.2012 protestierten in Lissabon 300.000 Menschen auf einer von der Gewerkschaft CGTP einberufenen Kundgebung gegen die von Troika und Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen. Das war laut Veranstalter die größte Manifestation seit über 30 Jahren in Portugal. Auch hier wurde der Regierung blinder Gehorsam gegenüber Merkel & Co. vorgeworfen. „Die Deutschen mögen reicher und flächenmäßig größer sein als wir, aber sie haben nicht mehr Würde als das portugiesische Volk“, so der neu gewählte Gewerkschaftsführer Arménio Carlos wörtlich in seiner Ansprache. Bei allem Aufbegehren hängt das Schicksal Portugals am seidenen Faden der weiteren Entwicklung in Griechenland, Spanien, Italien und dem Rest der Euroländer. Daran wird auch der verletzte brodelnde Nationalstolz nichts ändern können. Nicht gegeneinander, nur miteinander werden die Euroländer die Finanzkrise bewältigen. Bleibt zu hoffen, dass sich Europa wieder auf seine gemeinsamen Erfolge besinnt. Ein Scheitern der europäischen Idee wäre nicht nur für Portugal folgenschwer.
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